NHMS profitiert vom konventionellen Reiten und umgekehrt!

Vorwort von Urs Heer

Ich habe immer Freude, wenn "komplette Reiter" in Horsemanship Kurse kommen. Mit „komplett“ meine ich nicht nur ihre reiterlichen Fähigkeiten und das Verständnis von einem intelligenten Pferdetraining, welches es braucht um Military-Pferde auszubilden, sondern dass die sogenannten „Buschreiter“ sehr wohl mental, emotional und physisch belastbar sind.

Das Gefühl für die Dressur zu haben, die Wendigkeit im Springparcours gleich darauf zu beweisen und dann fürs Cross... da muss man, Entschuldigung für den Ausdruck, einfach eine "Kampfsau" sein.

 

So lernte ich Steffi Köppel kennen: Eine extrem offene und sympathische Person, wissensbegierig mit gesundem Menschenverstand und vor allem mit der nötigen Empathie für Pferde.

Ähnlich wie Tiziana Realini, welche es sogar als CC-Reiterin damals 2008 an die Olympiade nach Peking schaffte und seit Jahren unsere Trainingsleiterin für die Sportcamps im Engadin und der Reitberevets in Landquart ist.

 

Als wir 2016 am zweiten CSI in St. Moritz zu einer Bridleless Competition (Prüfung ohne Zauzeug) als Show Prüfung eingeladen wurde, war das für uns alle ein Highlight. Tizzy ritt mit zwei Pferden auf diesem Internationalen Turnier mit und begleitete uns gleichzeitig für die Demo.

Hier kam Steffi zu ihrem vor Jahren gesteckten Ziel, sogar ein Military Cross bridleless bestreiten zu können, sicher um einige Schritte näher. Sie kam extra dafür mit ihrem Pferd Eddy ins Engadin angereist.

 

Danke Steffi für deinen folgenden, sehr spannenden Beitrag und deine Ehrlichkeit unverblümt Dinge auch beim Namen zu nennen, was sichern vielen Lesern gefällt!

Ja Steffi, ich muss dir ein grosses Kompliment machen, wie du wohl als einzige immer an das Talent dieses "verrückten" wenn nicht sogar oft "gefährlichen" Pferdes geglaubt hast und nicht aufgegeben hast. Ich nenne diese Pferde ja CC Pferde: Crazy und Cracks - wenn man mit ihnen den Umgang findet, kann man gewinnen ..hihihi..

 

Ich kannte ähnliche Situation sehr wohl, weil ich oft Tiziana Realini am Telefon mit ähnlichen Pferden beraten durfte. Der Unterschied für mich war, dass Steffi mit diesem Pferd zusammen zuerst Level 1 bis Level 3 lernen wollte oder musstest und es natürlich viel einfacher für alle Beteiligten wäre, wenn der Besitzer schon L2 oder sogar von Beginn weg L3 Savvy für solche „Spezialfälle“ hätte. Bekannter Weise hat ja alles mit Fokus, Gefühl und Timing zu tun.

 

Jedoch du hast es geschafft und Eddy hat sich zu einem verlässlichen und wunderbaren Athleten entwickelt! Steffi du bist ebenfalls ein perfektes Beispiel, wie HMS im Sport Einfluss haben kann und sollte. Hier gilt der Leitsatzt: "Horses run faster and jump higher out of heart and desire " – „Pferde rennen schneller und springen höher, wenn es auch ihr Wunsch ist“ oder wenn ich nochmals Tiziana Realini zitieren darf, wenn sie jeweils gefragt wird, wieso sie denn als Sportlerin Natural Horsemanship betreibt: „Mein Trainingsaufwand verringert sich fast um die Hälfte und weil meine Pferd klar im Kopf bleiben!“

 

Viel Spass beim Lesen

 

Urs Heer


Lieber Urs

 

Schreiben ist nicht gerade meine Passion, dennoch: Im 2011 habe ich das erste Mal einen Kurs bei dir in der HETS-Schule besucht, Level 1. Seither kamen viele weitere hinzu.

Irgendwann hast du mal gefragt (und dann gelegentlich wieder), ob ich nicht meine Geschichte bzw. unsere – Eddy’s und meine und wie ich überhaupt zu NHMS (Natural Horsemanship) gekommen bin – aufschreiben würde.

 

Nun ich versuche dies nun hier, in 2 Teilen:

Wie ich zu NHMS gekommen bin

Mein allererster Kontakt zu NHMS war alles andere als berauschend. Auf einem Ausritt zu zweit trafen wir auf ein Pferd-Mensch-Paar, das sich uns anschloss. Die Dame ritt mit diesem orangen Stecken und das Pferd hatte nur diese komischen Schnüre um den Kopf, sowie die Reiterin verschiedenste Seile in der Hand. War mir im ersten Moment etwas suspekt, aber nun gut, ich sass auf meinem zuverlässigen Pamino und musste mir ja keine Sorgen machen. Die dazugestossene Reiterin war noch unbekannt, interessant und wir hatten es lustig. Als ein Auto unseren Weg kreuzte, mussten wir uns hintereinander begeben. Als ich mich hinter das ‘neue’ Pferd zurück zog und ihnen den Vortritt liess, schlug das Pferd derart aus, dass ich den Luftzug an meinem Knie spürte, was ich dann weniger lustig fand. Zu meiner Verwunderung tat die Reiterin nichts und ritt einfach weiter, wie wenn nichts gewesen wäre. Da hatte ich in meiner ‘Pferdeschule’ anderes gelernt! Und ich schloss daraus, dass Parelli wohl doch eher etwas für ‘laisse-faire’-, Möhren- und Guetslipferdeliebhaber – eben Pferdeflüsterer – sei. Von da an achtete ich darauf, dass ich mich diesem Pferd-Reiterpaar nicht mehr anschloss; zu gefährlich schien mir dieses Parelli-Zeugs. Also sicher nichts für mich!!!

 

Einige Zeit später begann ich die tolle Vereinstrainerausbildung SVPS. Da hatten wir ein irres Springpferd in der Gruppe. Es sprang wirklich fantastisch. Doch die Ausbildung im Gelände, sprich Cross Country, gehörte auch dazu. Beim kleinsten Graben wollte das Pferd nicht und die Reiterin musste mächtig draufhauen, bis das Pferd sprang. Es nützte wenig. Einer der Trainer meinte, sie solle dies nicht so tun. Er schlage ihr vor, nach dem Training noch bei ihm zu bleiben. Er würde ihr einen anderen Weg zeigen, um das Pferd zum Springen des Grabens zu bewegen. Uiii, da war mein Interesse natürlich geweckt! Wie macht er das bloss?!? Und ich fragte, ob ich das auch mitansehen dürfte. Natürlich, da gäbe es nichts zu verstecken.

 

Am Ende der Lektion waren wir etwa zu dritt, um zuzuschauen. Der Herr Ausbilder löste einen Zügel, so dass er ein längeres Seil hatte und nahm den Springstock der Reiterin. So spielte er mit dem Pferd ein wenig mit Game 3 und 5, bis das Pferd ungefähr in Schnell-Bleiche verstanden hatte. Dann ging er zum Graben und spielte Annäherung und Rückzug ohne Druck am Hindernis. Nach einer kurzen Weile übersprang das Pferd den Graben, wohl noch etwas zögerlich, aber okay. So wiederholte er das ganze Spiel, bis das Pferd den Graben schon fast gelangweilt sprang. Jetzt durfte die Reiterin aufsitzen und den Graben reiten. Das Pferd machte anstandslos mit. Wow!

Das Beste: das Pferd sprang in allen weiteren Kursen, welche über weitere zwei Jahre verteilt waren, alle Gräben ohne mit den Augen zu rollen. Wow! Dieses intelligent-geniale System wollte ich auch lernen! Ich staunte nicht schlecht: Parelli – Natural Horse Man Ship!!! Als ich dann aber die Preise sah, was die Kurse und all das Drumherum so kostet, besann ich mich eines Anderen. Hatte ich doch mit meinem Pamino keine derartigen Probleme. Also wusste ich nun zwar, dass dieses Parelli-System sicherlich eine geniale Sache sein konnte, sie aber für mich nicht in Frage kam, da keine Probleme, kein voriges Geld.

Eddy

Ende Februar im Jahr 2005, im Norden Deutschlands, erblickte ein hübsches fuchsfarbenes Fohlen das Licht der Welt. Es war neugierig, verspielt, unglaublich ängstlich und hypersensibel – nur das interpretierte niemand so.

Pamino und ich in der Schweiz legten gerade so richtig los mit unserer CC-Karriere auf internationalem Parket und weder Pamino noch ich wussten, was da im hohen Norde heranwuchs.

 

Fünf Jahre später sollten wir Bekanntschaft machen! Eddy kam zu uns in die Schweiz. Von Anfang an hatten ihn alle sehr, sehr gerne, solange er frei im Gehege war – nicht angebunden, nicht gesattelt nicht eingeengt. Er verhielt sich in Freiheit äusserst neugierig, liebevoll und lustig-verspielt. Aber wehe dem, der ihn satteln wollte! Oder verladen! In den Transporter rein, ging ja noch, aber oho, auf dem Absatz kehrtum und wieder raus! Ja, schnell musste man zur Seite springen! Wir fanden heraus, dass es in Gesellschaft mit einem anderen Pferd aus der kleinen Herde tiptop funktioniert. So gelang es mit viel Zeit, Geduld und täglichem Üben, Eddy dazu zu bringen, den Transporter auch alleine zu akzeptieren, jedenfalls für den Transport. Wollte ich irgendwo hin, wo das Pferd im Transporter warten musste, brauchte er entweder ein anderes Pferd als Begleitung oder ich brauchte einen menschlichen Babysitter, der Eddy hütete und verhinderte, dass er selbständig ausstieg, was ihm dennoch ab und zu gelang… Zum Glück war er wendig und geschickt genug, um sich nie zu verletzen.

 

Das Schlimmste war der alltägliche Ausritt, nein, eigentlich nicht der Ausritt. Waren wir endlich einmal soweit, klappte der Ausritt oft ganz gut. Eddy ging von Anfang an in der Gruppe wie alleine und hatte auch vor nichts Angst. Doch DIE Herausforderung war, überhaupt bis zum Ausreiten zu kommen. Ich konnte dieses Pferd nicht satteln bzw. danach nicht aufsteigen oder losreiten! Des Öfteren fand ich mich auf dem Boden wieder, bevor ich auch nur einen Schritt geritten war!!!

 

Ich verstand die Welt nicht mehr. Ich machte doch nichts anders, als ich das bisher gelernt hatte und schliesslich sattelte ich nicht das erste Mal ein Pferd. Da, wo ich reiten gelernt hatte, waren auch nicht alle Pferde gleich angenehm zu satteln und ich hatte auch da öfters die Gelegenheit Pferde zu reiten, die gerne mal bockten. Runterfallen hatte ich da ebenfalls gelernt und je häufiger ich bockende Pferde reiten durfte, je weniger fiel ich runter. Eigentlich genoss ich diese Challange von ‘schwierigen’ Pferden und träumte vom eigenen Pferd, das niemand anders reiten konnte. Nun hatte ich ein solches Pferd im Stall – Haken daran: auch ich konnte es nicht reiten!

 

Von Tag zu Tag wurde ich unsicherer, nahm der Respekt vor diesem Pferd zu… Ich versuchte alles Mögliche: Von Johanniskraut, das beruhigend wirken sollte, über Osteopathie, verschiedene Sättel, Satteldruckmessungen und tollen Trainern. Leider nutzte alles nichts und mein Respekt wandelte sich in Angst vor diesem Pferd. Einmal in einem Training mit einem versierten, bekannten, extra aus Deutschland angereisten Trainer zeigte sich Eddy von seiner schwierigen Seite. Der Trainer meinte zu meiner Mutter, sie sollte dieses Pferd schnellstmöglich wegtun, er würde seiner Tochter niemals erlauben, ein solch gefährliches Pferd zu reiten – das könne lebensgefährlich sein. Nach diesem Training war ich am Boden. Ich selbst hatte ja auch Angst, aber was sollte ich mit diesem Pferd tun? Verkaufen? an wen? in den Himmel? Er ist noch so jung und ohne zu reiten im täglichen Umgang so toll! Nein, aufgeben kam für mich nicht in Frage!

 

Ich erinnerte mich an eine kleine Aufführung von Tizzy anlässlich ihrer Elite-Schweizermeisterfeier Eventing, welche sie mit Valentino Flying zeigte. Sie führte einige Übergänge und einen Sprung vor und das ohne Zaum! Toll! Wo sie das gelernt hätte? Bei Urs Heer – NHMS. Ich googelte ‚Urs Heer’ und fand die Schule für Horsemanship. Im Beschrieb zum L1 stand unter anderem, dass man mit bestandenem L1 sein Pferd problemlos satteln und verladen könne – so las ich das jedenfalls damals… Ich überredete meinen Freund, an so einen L1-Kurs mitzukommen, schliesslich könne ich ja nicht mit Eddy alleine dahin gehen. Es folgte ein Telefon an dich, Urs, wo du mir beibringen wolltest, dass ich den L1 zuerst mit einem Leihpferd absolvieren sollte, bevor ich mit dem eigenen käme. Ich meinte dazu nur, mit meinen anderen Pferden hätte ich keine Probleme und wollte einzig den Rank mit diesem Pferd finden. Also gut, dann kommst du eben mit ihm!

 

So kam es, dass wir im 2011 in Landquart anreisten… Bei fast allem und jedem meinte ich nur: Du, Urs, ich glaube das kann ich mit meinem Pferd nicht…! Oder: Du, Urs, das traue ich mit meinem Pferd nicht! Und siehe da: ich hatte nicht Unrecht: Eddy war all over the Place nur nie da, wo er hätte sollen sein. Ich erinnere mich noch, wie du mir sagtest, du solltest mich wieder nach Hause schicken, ein solches Pferd hätte in einem L1-Kurs nichts verloren!

Wie recht du damals hattest! Doch für mich war das uuhhh schwierig. Wer, wenn nicht du, sollte mir denn nun noch helfen können mit diesem verrückten Pferd?!? Ich musste mir manches anhören, wie so viele andere auch. Das war eine echte Herausforderung! Wenn ich es mir dann in einer ruhigen Minute gut überlegte, musste ich mir eingestehen, dass du recht hast mit deinen Aussagen. Doch ich habe einen ‘Grind’ und ich wollte dieses Pferd behalten und reitbar machen und zwar wollte ICH das selber machen – du solltest mir dabei helfen. Mit diesem Ziel habe ich schliesslich das L1-Paket gekauft.

L1 hatte ich zwar recht bald abgeschlossen, aber satteln liess sich mein Eddy noch nicht merklich besser. Ich hatte wohl Strategien, um mehr oder weniger zu überprüfen, ob das Aufsteigen heute von Erfolg gekrönt sein könnte, mehr aber nicht. Zum Glück hatten wir viel Spass im Kurs selbst und ich lernte mit wenigen kleinen Dingen zufrieden zu sein und an anderen Sachen wie Bodenspiele Online (am Seil) oder Liberty (in Freiheit) Freude zu haben – ansonsten wäre ich wohl enttäuscht nach Hause zurückgekehrt und hätte frustriert aufgegeben. So aber machten Eddy und ich weiter: Einen Schritt vorwärts, einen zurück, wieder zwei vorwärts, einen halben zurück, am nächsten Tag einen zurück.

Mehr schlecht als recht kamen wir mit 2 Knoten durch den L2. Das Reiten immer wieder von Angst und ab und zu von Stürzen begleitet, jedoch bei weitem nicht mehr so oft , wie zu Beginn unseres gemeinsamen Lebensabschnittes.

 

Die Wende brachte der Besuch des L3 Beginner-Kurses in San Jon! Urs, du coachtest mich, um Eddy abzulegen. Das war für mich eine fast unerträgliche Situation. Bald fühlte ich mich nur noch als Roboter, der deine Anweisungen ausführt. Ich selbst stand wie gelähmt daneben, mit tausenden Gedanken im Kopf, ob das nun wirklich das Richtige sei, ob dies uns nun wirklich dahin bringt, dass alles endlich besser, zuverlässiger, konstanter, solider wird? Es brauchte viel Vertrauen durchzuhalten. Zum Glück schaffte ich es. Die Veränderung trat nicht sofort ein. Ich spürte sie erst nach und nach zu Hause, im Alltag. Doch es ging tatsächlich aufwärts. Die Dinge wurden solider, gegenseitiges Vertrauen konnte entstehen und wachsen.

 

Satteln ist noch heute nicht Eddy’s Lieblingssache, doch er akzeptiert. Was bin ich dir dankbar, dass du mich soweit bringen konntest, den Weg gemeinsam mit diesem wundervollen Pferd zu gehen!

 

„Bewerte nicht deine Erfolge. Bewerte, wie viele Male du hingefallen und wieder aufgestanden bist.“ Nelson Mandela.

 

Die bisher schönste Krönung ‘meiner’ Geschichte mit Eddy ist der Sieg an der Bridleless Spring-Showprüfung an der OFFA 2019!

 

Ich war ehrgeizig und wollte tolle Sportresultate. Heute sehe ich das etwas anders. Anstelle eines ‚Schleifensammlers’ habe ich nun einen echten Partner, 365 Tage im Jahr! Was will ich mehr?!?

 

 

Lieber Urs, ich danke dir ganz von Herzen, dass du mir geholfen hast, mich selbst in Richtung ppn (positiv, progressiv, natürlich) zu entwickeln und mein (Alb-)Traumpferd in einen zuverlässigen csba*-Partner zu verwandeln.

 

Herzlich Steffi mit Ed

 

 

*CSBA = Calmer/ruhiger, Smarter/schlauer, Braver/mutiger, Athletic/Atlethischer